Content Marketing: Ist mein Thema zu persönlich, um es zu posten?
Es begegnet uns überall: “Du musst Persönliches posten! Nur das bringt dir heutzutage noch Reaktionen und Reichweite!” Da ist tatsächlich etwas Wahres dran. Persönliche Inhalte sind wichtig und wecken Aufmerksamkeit. Nur ist das meist leichter gesagt als umgesetzt.
Mim Gaisser
20. November 2024Insbesondere introvertierte und schüchterne Menschen haben oft große Skrupel, über persönliche Dinge auf ihrem Blog, Social Media oder im Newsletter zu berichten.
Ich kenne diese Sorge vor Kritik und einem Shitstorm bestens. Ich war früher mit ihr beinahe verheiratet.
Mittlerweile konnte ich sie größtenteils ablegen und unterstütze Menschen dabei, authentischeren und mutigeren Content zu veröffentlichen.
Doch wie kann ich überhaupt selbst einschätzen, ob ein Thema sich für das Internet eignet? Damit beschäftigen wir uns in diesem Artikel einmal genauer.
Warum sind persönliche Posts wichtig?
Persönliche Texte sind sowohl auf Blogs als auch z. B. auf Social Media und in Newslettern essenziell. Denn durch diesen Content lernt unsere potenzielle Kundschaft uns besser kennen und baut Vertrauen zu uns auf - und das ist im Marketing unabdingbar.
Wenn Menschen kein Vertrauen in uns und unser Angebot haben, werden sie auch nichts von uns kaufen – sondern womöglich bei der Konkurrenz.
Unsere Persönlichkeit und das, was die Leute darüber erfahren, kann also das sprichwörtliche Zünglein an der Waage sein, ob jemand bei uns etwas kauft, z. B. unser neuestes Buch, oder eben nicht.
Wir werden dadurch für andere greifbarer und menschlicher. Außerdem gibt es ihnen die Chance, sich mit uns oder unserem Angebot zu identifizieren, uns einzuschätzen und leichter entscheiden zu können, ob wir und unser Angebot passend für sie sind oder nicht.
Aber was, wenn meine Persönlichkeit die Leute abschreckt?
Viele Menschen, insbesondere Introvertierte, trauen sich nicht, Persönliches öffentlich preiszugeben, weil sie Angst haben, ihre Meinung oder Erfahrungen könnten Kritik hervorrufen und die Leute abschrecken.
Als ich 2022 meine ersten Newsletter rausschickte, hat mich jede Abmeldung furchtbar mitgenommen. Jedes Mal habe ich danach meinen Text genauestens analysiert und überlegt, wo ich etwas falsch oder missverständlich formuliert haben könnte, weswegen die Person die Flucht ergriffen hatte.
Die Wahrheit ist: Ich habe nichts “falsch" formuliert, die Person hat einfach nur gemerkt, dass mein Newsletter nichts für sie ist und hat sich ausgetragen.
Und das ist etwas Gutes!
Denn mir fiel auf: Wenn ich persönliche Newsletter schreibe, über ein Thema mit Ecken, dann haben diese Newsletter zwar mehr Abmeldungen als normalerweise, aber gleichzeitig bekomme ich darauf auch viel mehr Antworten von meinen Lesenden (und bisher waren nahezu all diese Antworten positiv).
Während sich bei “People-Pleasing-Newslettern” zu 0815-Themen zwar fast keiner ausgetragen hat - aber es hat eben auch niemand reagiert. Es versickerte einfach so im Sande.
Und das ist im Marketing ein Alarmsignal!
Denn es bedeutet: Dieser Newsletter war den Leuten egal. Sie haben ihn vielleicht nicht einmal ganz gelesen, denn er war stinklangweilig!
Und mit meinen Blogartikeln und Social-Media-Posts ist es genauso: Die, die viel Persönlichkeit zeigen, bekommen deutlich mehr Reaktionen als nichtssagendes Geplänkel, das es im Internet schon millionenfach zu lesen gibt.
Wir sehen also: Persönlicher Content trennt die Spreu vom Weizen.
Die Menschen, die uns und unser Angebot gut finden, werden dadurch eine noch engere Bindung zu uns aufbauen und am Ende vielleicht etwas von uns kaufen.
Und die, die mit uns nichts anfangen können, werden gehen. Aber das dürfen sie auch – denn sie sind ohnehin nicht die Menschen, die wir erreichen wollen. Insbesondere im Coaching- und Dienstleistungsbereich, sowie als Schreibende.
Was ist der Unterschied zwischen persönlich und privat?
Wenn es um persönlichen Content geht, kommt oft der Einwand: “Ist ja alles fein und gut, aber ich will doch nicht mein ganzes Privatleben im Internet ausbreiten. Das geht niemanden etwas an, erst recht nicht potenzielle Kundschaft!”
Das ist richtig! Unser Privatleben darf privat bleiben.
Aber es gibt einen Unterschied zwischen “persönlich“ und “privat“, auch wenn der manchmal hauchdünn ist.
Unter “privat“ verstehen wir Dinge, die Außenstehende wirklich nichts angehen und die auch nicht für sie relevant sind.
“Persönlich“ hingegen sind Dinge, die zwar möglicherweise auch aus unserem Privatleben stammen können (aber nicht müssen), jedoch dafür geeignet sind, öffentlich darüber zu sprechen.
Hier zwei (rein fiktive) Beispiele:
- Wenn ich öffentlich poste, dass mein Ex mich betrogen hat, ist das für die meisten Menschen zu privat und muss definitiv nicht im Internet diskutiert werden. Es sei denn, es ist irgendwie für meine Arbeit relevant, zum Beispiel, weil ich Menschen coache, denen das passiert ist. Aber das klammern wir hier einmal aus.
- Wenn ich aber zum Beispiel berichte, dass ich früher extrem schüchtern war und mich kaum getraut habe, andere Leute anzusprechen und Kontakte zu knüpfen, dies aber mittlerweile überwunden habe, dann ist das zwar aus meinem Privatleben, aber möglicherweise eine Geschichte, die anderen Menschen Mut und mich selbst nahbarer macht. Denn so viele Leute hatten oder haben noch heute mit Schüchternheit zu kämpfen.
Jedoch ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob eine Geschichte zu privat ist, um sie öffentlich anzusprechen.
Wie erkenne ich, ob ein Thema zu privat ist?
Ich bin mittlerweile bekannt dafür, Dinge zu posten, die viele betreffen, aber sich keiner traut zu thematisieren. Ich spreche etwa öffentlich über meine psychischen Erkrankungen, was für die meisten ein absolutes Tabu-Thema wäre.
Ob etwas zu privat ist, hängt davon ab, wie viel ich bereit bin, öffentlich zu erzählen und ob dies negative Konsequenzen für mich hätte. Olaf Scholz sollte nicht posten, dass er Depressionen hat, wenn ich das tue, ist es etwas anderes (das ist ein Beispiel! Ich weiß natürlich nichts über die psychische Verfassung von Olaf Scholz). Es ist also völlig individuell und etwas, das wir selbst reflektieren und abschätzen sollten.
Es gibt aber auch Themen, bei denen wir uns einfach nicht sicher sind, ob es gut wäre, sie öffentlich anzusprechen – häufig aus Angst vor einem Shitstorm.
Aus meiner fast 10-jährigen Erfahrung als Bloggerin kann ich dich hier aber beruhigen: Shitstorms kommen äußerst selten vor, insbesondere wenn du nicht prominent bist oder ein großes Unternehmen führst. Ich erntete zum Beispiel noch nie einen echten Shitstorm, obwohl ich in meinen Texten manchmal bewusst provoziere, um zum Nachdenken anzuregen.
Was mir hilft, zu entscheiden, ob ein Thema zu privat für einen Blogpost, Newsletter oder Social-Media-Post ist, sind folgende zwei Fragen:
1. Wie fühlt sich die Vorstellung für mich an, dass mein Onkel oder meine Nachbarin diesen Post lesen könnte?
Es ist hierbei wichtig, dass wir uns jemanden vorstellen, den wir zwar kennen, aber der uns nicht besonders nahesteht.
Denn es ist oft leicht, etwas zu posten, wenn wir uns nur ein gesichtsloses Publikum von Fremden vorstellen oder wenn wir daran denken, dass unser Partner oder die beste Freundin diesen Artikel lesen.
An einen Menschen zu denken, der weder anonym ist, noch jemand, dem ich blind vertraue, hilft enorm bei dieser Einschätzung.
Fühlt es sich okay an? Dann ist es vermutlich zum Posten geeignet.
Bekomme ich eher ein mulmiges Bauchgrummeln? Dann sollte ich die Sache noch einmal überdenken und mir die zweite Frage stellen.
2. Überwiegt mein mulmiges Bauchgefühl oder der Nutzen, den andere Menschen daraus ziehen können?
Als ich Anfang 2024 beschloss, einen Artikel über meine atypische Variante der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu posten, hatte ich dabei wirklich Bauchweh. Und zwar so richtig!
Aber mir war auch bewusst: Über die Ausprägung “stilles Borderline“ gibt es im Internet kaum Informationen auf Deutsch und die Variante ist im DACH-Raum selbst bei Fachleuten noch recht unbekannt (in den USA ist das ganz anders).
Dieses Problem hatte bei mir dazu geführt, dass meine Erkrankung 11 Jahre lang unerkannt blieb, bis es zu einer Diagnose kam. Hätte es dazu mehr Aufklärung gegeben, hätte ich viel schneller Hilfe bekommen können.
Für mich war daher klar, dass ich dabei mitwirken wollte, diese Verlaufsform der Erkrankung auch im deutschen Sprachraum bekannter und recherchierbar zu machen.
Ich war mir sicher, wenn ich wirklich meinen inneren Schweinewauwau überwinde und das veröffentliche, wird es einen großen Nutzen für andere Menschen haben – auch, wenn es mich enorm viel Mut und Energie kosten wird.
Und es hat sich gelohnt!
Der Artikel schoss bei Google sofort an die Spitze der Suchergebnisse und tummelt sich heute noch dort. Er bringt nicht nur meinem Blog eine Menge neuer Aufrufe, sondern hat auch vielen Menschen geholfen, die sich in meinen Schilderungen selbst wiedererkannt und mehr Klarheit gewonnen haben.
Und allein aus diesen zwei Gründen hat es sich definitiv gelohnt, den Posten-Button zu klicken.
Fassen wir nochmal zusammen…
Ein persönlicher Text ist nicht dasselbe wie ein privater. Wir müssen nicht unser gesamtes Privatleben im Internet ausbreiten, um uns nahbar zu machen und bei unserer potenziellen Kundschaft Vertrauen zu wecken.
Dennoch kann es uns enorm weiterbringen, uns auch einmal etwas verletzlich oder angreifbar zu zeigen, indem wir über etwas sprechen, das eben nicht schon drölfzigmal im Internet durchgekaut wurde.
Ich kann dir versichern, aus meiner Erfahrung lohnt es sich, gelegentlich über den eigenen Schatten zu hopsen.
In diesem Sinne: Bleib mutig! Und viel Erfolg beim Ausprobieren!
Über die Autorin
Als Mim Gaisser 2015 das Bloggen und Content Marketing für sich entdeckte, traute sie sich kaum, etwas zu Schreiben, das auch nur im Geringsten Aufsehen erregen könnte.
Doch bald merkte sie: “Hey, wenn ich persönliche und authentische Texte schreibe, erreiche ich damit viel mehr Menschen und gehe nicht mehr im Content-Gewimmel des Internets unter!”
Heute unterstützt sie andere Menschen dabei, mutige Online-Texte zu verfassen. Insbesondere Introvertierte liegen ihr dabei am Herzen, da sie selbst eine von ihnen ist und auf ihrem Blog still & sensibel über das Thema berichtet.
Außerdem ist sie mittlerweile für ihre Linkedin-Posts bekannt, in denen sie Dinge anspricht, die alle denken, aber keiner sagt.
Du willst von mehr Tipps zum Bloggen?
Dann hör rein in Folge 29 des "Schreib doch, was du willst!"-Podcasts von Tina Lauer...
Mutig schreiben: So geht Bloggen – mit Mim Gaisser In dieser Folge dreht sich alles ums Bloggen und darum, wie du Texte schreibst, die wirklich zu dir passen. Dafür habe ich eine ganz besondere Gästin eingeladen: Mim Gaisser – Schreibende, Introvertierte und bekennender Elefanten-Fan. Sie bloggt seit vielen Jahren erfolgreich darüber, wie es ist, introvertiert in einer lauten Welt zu leben. Auf ihrem Blog teilt sie außerdem wertvolle Tipps rund ums Schreiben und Bloggen. Authentisch, inspirierend und lebendig – genau so schreibt Mim. Wir sprechen darüber, wie sie zum Bloggen kam und was einen guten Blog ausmacht. Mim gibt uns Einblick in ihren kreativen Prozess, erzählt von ihrem Buch und was sie beim Schreiben von Texten für ihren Blog über die Jahre gelernt hat. Wir sprechen über den Einsatz von Keywords und Backlinks. SEO, Content-Strategien, den Unterschied zwischen KI-generierten und persönlichen Blogs (und was erfolgreicher ist), und wie man beim Schreiben authentisch bleibt. Mit praktischen Ratschlägen und unterhaltsamen Anekdoten nimmt Mim Gaisser uns mit auf eine Reise ins Bloggen. Wenn du wissen möchtest, wie du deinen Blog erfolgreich führst und dabei immer du selbst bleibst, dann ist diese Folge ein Muss! Hör rein und lass dich inspirieren!